Medizinische Möglichkeiten und deren ethisch-christliche Verantwortung

Pressebericht Kreisbote Allgäu (22.10.2008)

Ein ethisches Dilemma

Die „Initiative Gebet“ sucht Antworten auf eine heikle Frage - Viele junge Zuhörer

Kempten – „Darf der Mensch alles was er kann“? Eine heikle Frage, die im Konferenzsaal des Klinikums Kempten nach einer ethisch vertretbaren Antwort, vor allem bei Entscheidungen über Leben und Tod, suchte. Rund hundert, darunter ungewöhnlich viele junge Menschen, waren der Einladung der „Initiative Gebet“ gefolgt, um über „Medizinische Möglichkeiten und deren ethisch-christliche Verantwortung“ zu diskutieren und auch gemeinsam zu Beten.
Angeregt durch die Podiumsgäste Dr. Herbert Müller, Ärztlicher Direktor des Klinikums, Prof. Dr. med. Mathias Haller, Chefarzt der Anästhesie, dem Moraltheologen Dr. Anton Schuster sowie dem Moderator Stefan Vatter, Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde und Koordinator der Initiative, kamen dabei viele Aspekte zur Sprache.

Wie kann eine ethisch richtige Entscheidung bei einem Frühgeborenen zwischen der 22. und 24. Schwangerschaftswoche aussehen? „Das Kind erfüllt die Kriterien eines Menschen“, zugleich liege die Überlebenschance bei nur 15 Prozent und die Chance auf ein normales Leben gegen Null, meinte Müller, der als Chefarzt der Abteilung Kinderheilkunde auch für kranke Neu geborene zuständig ist. Klare Regelungen gebe es in Deutschland erst ab der 24. Schwangerschaftswoche, während es in einigen Ländern auch für frühere Geburten eine klare Regelung gebe: Nur eine palliative Versorgung mit Wärme und Nahrung. In Deutschland liege da die Entscheidung für oder gegen das Ausschöpfen aller medizinischen Möglichkeiten bei den Eltern, die dieser Situation nur selten objektiv begegnen könnten, so Müllers Erfahrung.

Manche Familien würden mit einem schwerstbehinderten Kind glücklich leben. Öfter zerbreche die Familie aber daran und das Kind lande im Heim. Es sei eine individuelle Entscheidung mit Blick auf die Würde des Menschen, die eine genaue Untersuchung des tatsächlichen Reifegrads des Frühchens erfordere, die „persönliche Erfahrung und Intuition“ des Arztes sowie seine Überzeugungskraft. Nicht viel anders sah Haller die Problematik in der Erwachsenenmedizin, in der die „Patientenverfügung ein wichtiger Baustein“, sei, da sonst immer nach dem „mutmaßlichen Wunsch“ des Patienten entschieden werden müsse. Ökonomische Aspekte würden bei einer Entscheidung in Deutschland „gottlob noch keine Rolle spielen“, wusste er einen Zuhörer zu beruhigen. Im Zweifelsfall müsse die Entscheidung „immer für das Leben“ fallen, betonte er.

Hoher Stellenwert

Einen wichtigen Stellenwert sah Vatter in der Seelsorge und dem Gebet mit allen Beteiligten. Die kirchliche Position bekenne sich klar zum Schutz des Lebens, gleichzeitig aber auch dazu, Leid zu vermeiden, erklärte Schuster. „Ein ethisches Dilemma“, wie er meinte. „Wir haben die Verpflichtung Respekt vor dem Schöpfer und den menschlichen Wesen zu haben“ und allem, was darum herum ist, meinte Müller abschließend. Es gebe noch andere, mächtigere, die ein Wörtchen mitzureden hätten, denn „wir sind nicht die Götter in weiß“, stellte er klar. Einig waren sich die Teilnehmer darüber, dass es nicht nur das Recht auf ein würdevolles Leben gebe, sondern auch auf ein würdevolles Sterben. ct